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Wenn Wut Schutz ist – über starke Emotionen bei intensiven Kindern

Emotionen von Kindern

(Ein Beitrag für Eltern und Pädagog:innen sensibler, intensiver und hochbegabter Kinder)

„Hinter der Wut deines Kindes steckt selten ein Nein zu dir – meist ein Ja zu sich selbst.“

Wut ist nicht das Problem – sie zeigt das Problem

Viele Eltern erleben Momente, in denen ihr Kind scheinbar aus dem Nichts explodiert: Türen knallen, Tränen fließen, Worte werden laut.

Wut wirkt bedrohlich – besonders, wenn sie plötzlich kommt oder sich heftig entlädt. Doch unter der Oberfläche dieser Emotion liegt oft kein Trotz, sondern Selbstschutz. Kinder – vor allem sensible, begabte oder stark reflektierende – reagieren mit Wut, wenn etwas zu viel, zu schnell oder zu eng wird: zu viele Erwartungen, zu wenig Verständnis, zu starke Reize, zu wenig Einfluss auf ihr eigenes Erleben.

 

Wut ist dann kein Zeichen von Unreife, sondern von Überforderung.

Sie ist der Versuch, das eigene Ich zu bewahren, wenn alles andere zu nah rückt.

Was in diesen Momenten im Kind passiert:

Ein hochsensibles oder schnell denkendes Kind hat ein sehr aktives Nervensystem.

Es nimmt Spannungen, Geräusche, Ungerechtigkeiten und Ungeduld viel intensiver wahr als andere.

Wenn die Amygdala – das „Alarmzentrum“ des Gehirns – anschlägt, ist logisches Denken kaum mehr möglich.

 

Was wir als Wut sehen, ist also oft ein körperlicher Schutzreflex:

„Ich kann das jetzt nicht aushalten!“

Ein 9-jähriger Junge sagte in einer Beratung sehr treffend:

„Ich bin nicht wütend auf Mama. Ich bin wütend, weil mein Kopf so laut ist und keiner das hört.“

Wut will verstanden, nicht bekämpft werden.

Wenn Erwachsene Wut mit Strafe oder Moral beantworten („So redet man nicht!“), erlebt das Kind doppelte Überforderung:

  • Es verliert die Kontrolle – und wird dafür verurteilt.
  • Doch wenn Wut als Signal verstanden wird, verändert sich der Blick:
  • Sie wird zum Hinweis auf ein unerfülltes Bedürfnis – nicht auf schlechtes Benehmen.

 Praktische Tipps für Eltern und Pädagogen

  • Ruhig bleiben, auch wenn’s schwerfällt

Deine innere Ruhe ist das stärkste Gegenmittel gegen das Chaos im Kind.

  • Atme tief, sprich leise, bleib körperlich präsent.
  • Statt: „Jetzt reicht’s!“ Sag: „Ich bleibe bei dir. Wir schaffen das zusammen.“ Damit vermittelst du Sicherheit – und das Nervensystem des Kindes kann sich an deinem regulieren.
  • Gefühle benennen – ohne sie zu vergrößern Beispiel: „Ich sehe, dass du gerade richtig wütend bist. Wahrscheinlich fühlt sich das ungerecht an, oder?“ Das wirkt wie ein emotionaler Spiegel. Kinder erleben dadurch: Meine Wut ist erlaubt, aber sie hat Grenzen.
  • Nach dem Sturm ist vor dem Lernen: Im Moment der Wut ist kein Kind aufnahmefähig – erst, wenn es sich wieder sicher fühlt. Warte also, bis Ruhe eingekehrt ist, und sprich dann behutsam über den Vorfall.
  • Beispiel: „Weißt du noch, wie wütend du warst, als ich dich gebeten habe, aufzuräumen? Was war da los in dir?“

Gemeinsam nach Ursachen suchen (z. B. Überforderung, Müdigkeit, Kontrollverlust) stärkt das Bewusstsein: Ich kann verstehen, warum ich so reagiere – und lernen, anders damit umzugehen.

Vorbereitung ist die beste Regulation

Kinder brauchen Strategien vor der Eskalation.

Erarbeite mit ihnen kleine, einfache Signale oder Handlungen für den Alltag.

  • Beispiele: „Wenn du merkst, dass du gleich platzt, geh kurz raus oder atme dreimal tief.“ „Du kannst sagen: ‚Ich brauch eine Pause.‘ – Das ist keine Flucht, sondern Stärke.“
  • „Wir können ein Codewort haben, das heißt: ‚Ich will reden, aber noch nicht jetzt.‘“ So lernen Kinder, Verantwortung für ihre Emotionen zu übernehmen – Schritt für Schritt.
  • Wut kreativ kanalisieren.  Wut ist Energie – und Energie kann gelenkt werden.
  • Kreative Wege helfen, sie nicht zu unterdrücken, sondern auszudrücken:
  • ·      Malen oder Kneten: „Wie sieht deine Wut aus?“
  • ·      Bewegung: Seilspringen, Boxsack, Rennen – aber bewusst („Ich laufe meine Wut raus“).
  • ·      Atemübungen: z. B. „Kerzen auspusten“ (tiefer Atem mit sichtbarer Ausatmung).

Solche Techniken verwandeln Wut in Selbstwirksamkeit.

 

Beispiel aus der Praxis

  • Ein hochbegabter Junge (10) explodierte regelmäßig bei Hausaufgaben.
  • Seine Mutter reagierte anfangs mit Strenge: „Du musst lernen, dich zu beherrschen!“
  • Doch die Wut wurde nur stärker.
  • Nach einem Coachinggespräch änderte sie ihre Haltung:
  • Sie begann, frühzeitig Anzeichen von Überforderung wahrzunehmen – das unruhige Tippen mit dem Stift, den Blick zur Uhr, das schnellere Atmen.
  • Statt zu schimpfen, sagte sie leise:
  • „Ich sehe, dass es zu viel wird. Mach kurz Pause. Trink was.“
  • Nach einigen Wochen kam der Junge von selbst auf sie zu:
  • „Mama, ich merke jetzt, wenn’s anfängt zu brodeln.“
  • Das war kein kleiner Schritt – das war emotionale Reife.

Was Kinder aus diesen Momenten lernen

Wenn Erwachsene Wut begleiten statt bestrafen, lernen Kinder:

  • Meine Gefühle sind erlaubt.
  • Ich kann sie verstehen und verändern.
  • Ich bin nicht „zu viel“ – ich bin in Entwicklung.

Und Eltern lernen ebenso:

  • Wut ist kein Zeichen von Kontrollverlust, sondern von Kontakt.
  • Wenn Kinder uns ihre Wut zeigen, zeigen sie uns ihr Vertrauen –
  • denn Wut ist die ehrlichste Form von Nähe.
  • Fazit: Wut als Sprache der Verletzlichkeit
  • Sensible Kinder brauchen keine „dickere Haut“.
  • Sie brauchen Menschen, die die Intensität ihrer Emotionen aushalten, ohne sie zu bremsen.
  • Denn Wut ist nicht das Gegenteil von Liebe – sie ist oft ihr lautester Ausdruck.

Austausch im BegabungsDorf:

Wann warst du zuletzt überrascht von der Wut deines Kindes – und was hast du daraus gelernt?

Teile deine Erfahrung im Dorfplatz – vielleicht erkennt sich jemand in deiner Geschichte wieder.

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