Kinder brauchen nicht Perfektion, sondern Präsenz
„Eltern glauben oft, sie müssten alles richtig machen – dabei reicht es, ganz da zu sein.“
Der Druck, alles richtig zu machen
Kaum etwas ist so herausfordernd wie das Elternsein – und kaum etwas wird so sehr beobachtet, kommentiert und bewertet.
Überall lauern gut gemeinte Ratschläge:
„Sei konsequent!“
„Fördere dein Kind frühzeitig!“
„Achte auf Struktur – aber bleib locker!“
Zwischen all diesen Stimmen verlieren viele Eltern das Wichtigste: sich selbst.
Denn wer ständig überlegt, was „richtig“ wäre, verliert das Gespür dafür, was echt ist.
Perfektion klingt nach Sicherheit, erzeugt aber oft das Gegenteil: Distanz, Anspannung, Schuldgefühle.
Was Kinder wirklich brauchen
Kinder wollen keine perfekten Eltern – sie wollen anwesende.
Nicht Menschen, die alles wissen, sondern Menschen, die mitfühlen.
Ein Kind spürt, ob du bei ihm bist – nicht, ob du pädagogisch korrekt reagierst.
Es merkt, ob du hinhörst, oder nur „richtig antwortest“.
Ob du Blickkontakt hältst, oder schon gedanklich beim nächsten To-do bist.
Präsenz heißt: Ich bin da – mit Herz, nicht mit Plan.
Ein Beispiel aus der Praxis
Eine Mutter erzählte in der Beratung:
„Ich wollte meinem Sohn helfen, besser mit Frust umzugehen. Aber je mehr ich erklärte, desto wütender wurde er.“
Als wir gemeinsam die Situation nachspürten, fiel ihr auf, dass sie im Moment seiner Wut gar nicht wirklich bei ihm war – sondern in Gedanken schon bei der Lösung.
Beim nächsten Mal setzte sie sich einfach zu ihm, atmete tief und sagte:
„Ich sehe, dass du gerade richtig wütend bist. Ich bleibe bei dir.“
Der Junge schrie kurz weiter – und brach dann in Tränen aus.
„Ich dachte, du gehst wieder weg, wenn ich so bin.“
Das war der Wendepunkt.
Nicht, weil sie die „richtigen Worte“ fand, sondern weil sie bleiben konnte.
Präsenz bedeutet nicht Perfektion
Viele Eltern verwechseln Präsenz mit ständiger Verfügbarkeit.
Aber präsent sein heißt nicht, immer da zu sein – sondern wirklich da, wenn du da bist.
Du darfst müde sein. Du darfst überfordert sein. Du darfst Fehler machen.
Kinder brauchen keine perfekte Welt, sondern Menschen, die ehrlich genug sind zu sagen:
„Ich weiß es gerade auch nicht – aber ich bin hier.“
Praktische Impulse für mehr Präsenz
· Atme, bevor du antwortest.
Zwischen Reiz und Reaktion liegt der Raum, in dem Beziehung entsteht.
· Schau dein Kind an.
Wirklich an. Ein Blick kann mehr regulieren als zehn Erklärungen.
· Sprich weniger, spüre mehr.
Kinder verstehen Ton und Haltung oft besser als Worte.
· Erlaube Unordnung.
Beziehung ist kein sauberer Prozess. Sie darf kleckern, stolpern, lachen und weinen.
· Übe Selbstmitgefühl.
Du kannst nicht präsent sein, wenn du dich selbst ständig bewertest.
Was Kinder von „ganz da sein“ lernen
Kinder, die spüren, dass jemand sie wirklich sieht, entwickeln Vertrauen – in sich selbst und in die Welt.
Sie lernen:
„Ich bin richtig, auch wenn ich nicht perfekt bin.“
Und das ist das größte Geschenk, das du ihnen machen kannst:
Nicht deine Makellosigkeit – sondern deine Menschlichkeit.
Fazit: Weniger richtig, mehr echt
Elternschaft ist kein Prüfungsfach.
Es ist eine Begegnung.
Und manchmal ist das größte Ja zum Kind das leise:
„Ich sehe dich – und ich bleibe.“
Denn Kinder wachsen nicht an perfekten Eltern,
sondern an echten.





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